Über institutionell abgeleitete Gewalt und Ausschluss

Als Frau mit migrantischem Hintergrund, Schwarz und zugleich aktivistisch-feministisch, träume ich tagtäglich von einer Welt, in der wahre Inklusion möglich ist – mit viel Zuhören für andere Lebensrealitäten und mit Respekt.

Nicht mit Ausgrenzung und Herzlosigkeit als vermeintlichem Siegesweg.

Von Zoraida Nieto     Fotos: Alessandra dos Santos Silva

Schon in unserer Kindheit im Globalen Süden träumten viele von uns Mädchen von besseren Welten und Gesellschaftsformen. 

Doch früh lernten wir, wie sehr wir sexualisiert, angepasst und auf Weiblichkeit reduziert werden – innerhalb eines institutionalisierten Machismo, Rassismus und Sexismus, die sich spezifisch gegen Frauen und Mädchen richten. Wir werden in eine Endlosschleife der Reproduktion sozialer Rollen gezwungen, bestimmt für ein Leben im Privaten, aufopfernd für andere. 

Damit ist unser Weg vorgezeichnet: ein Leben im Ausschluss, als „Malheur“ der Gesellschaft, mit verschwiegenen Idealen und blockierten Träumen von Selbstbestimmung. Viele von uns tragen diesen Schmerz von der Kindheit bis ins hohe Alter – als grob gekritzelten Wunschzettel einer nie erfüllten Kindheit. All das im Schatten einer Herrschaft der Männlichkeit, die uns die Gleichwertigkeit als Menschen verweigert.

Im Westen begegnet uns institutionelle Gewalt in anderer Form: als Ausschluss von migrantischen Menschen.

Unter dem Deckmantel von „Integrationsmaßnahmen“ wird Inklusion oft missverstanden – nicht Mehrsprachigkeit gilt als Zugehörigkeit, sondern als Hindernis. Träume der Mehrheitsgesellschaft werden für alle zum Maßstab erklärt. Mittendrin merken wir kaum, wann alles in Ausschluss und Fehlkommunikation umgeschlagen ist. Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die längst Säulen einer postmigrantischen Gesellschaft sind, werden stigmatisiert und auf offizielle Kategorien reduziert. Nuancen des Rassismus sorgen dafür, dass ein kleiner Teil als „erfolgreiche Migrant:innen“ gilt, während die Mehrheit als „erfolglos“ abgestempelt wird.

So erlebte auch ich persönlich Momente großer Ohnmacht. 

Besonders, als ich vom Mord an Marcus Omofuma am 1. Mai 1999 erfuhr – unter dem Motto „Zu viele Ausländer raus“. Ein Jahr davor hatte ich begonnen, mich als vermeintlich „gut angepasste Migrantin“ gegen diesen Fremdenhass aufzulehnen. Daraus entstand mein Weg zur politischen, feministischen Aktivistin – oder, wie manche spöttisch sagen, zur „unverbesserlichen Berufsdemonstrantin“.

Der Hass war massiv, vor allem in der Arbeitswelt. Und viele Menschen mit migrantischem Hintergrund kämpften schlicht ums Überleben gegen Fremdengesetze, die einzig darauf abzielten, unsere Rechte einzuschränken.

In meiner persönlichen Entwicklung habe ich dabei auch die Sprachgewalt des Deutschen erfahren – schmerzhaft, aber auch schön. Ich möchte meine zweite Heimat nicht zerstört sehen durch den politischen Wahn der Rechten. Doch wir erleben heute ein „neues Gastarbeiterregime“:

Unsere Arbeit wird als verfügbar betrachtet, nicht als sozial wertvoll. Kinder wachsen in überfüllten Schulklassen auf, oft  ohne willkommen zu sein. Familien fühlen sich abgelehnt, und viele leben in bescheidener Unsicherheit.

In vielen Regionen außerhalb Wiens verstärkt sich die Unsichtbarkeit von Migrant:innen – was in der Paranoia von Rechtsextremen zur Bedrohung hochstilisiert wird. 

So verlieren wir unsere Identitäten und werden in Ghettos gedrängt. Kommunikation wird dabei lebenswichtig, denn Ausgrenzung schafft Mythen, Disziplinierung und Schweigen.

Die Gewalt geht weiter – ohne Liebe, ohne Worte für ein friedliches Miteinander. 

Das zerstört Herzen und nährt eine latente Revanche, die sich leider oft gegen Unschuldige richtet. Hass prägt Depressionen über Jahre hinweg. Deshalb sage ich: Hoffnung und das Gespräch miteinander sind überlebenswichtig. Vielleicht reicht manchmal ein Lächeln. Eine Umarmung. Nur wenn wir zuhören, statt auszugrenzen, öffnen wir Türen und schließen keine.

Die Ereignisse in Graz kürzlich zeigen erneut, wie wichtig das ist. 

So viele kleine Details machen das Menschliche in uns aus. Trotz Schmerz müssen wir dieses Menschliche bewahren. Denn Ausgrenzung bringt niemandem etwas – besonders nicht in Zeiten wie diesen. 

Ich habe viel verloren an Menschen durch Etikettierungen, durch diese Trennung in „echte“ und „unechte“ Menschen. Dabei brauchen wir mehr Liebe und Respekt – auch beim Abschied voneinander. Ohne neue Grenzen, ohne Hass. Die Art, wie wir derzeit miteinander umgehen, ist zu krass: Wir entmenschlichen bestimmte Gruppen, wir schüren Hass, doch Hass bringt niemandem Gehör. Nur Kommunikation und gemeinsames Handeln machen uns zu Menschen, die lieben und neue Wege gehen können.

Gerade in Schulen sollten wir nicht nur Versagen und Ausgrenzung produzieren.

Kinder und Jugendliche brauchen unsere Unterstützung für ihre Sozialisation und menschliche Entwicklung. Diese fragile Ebene darf nicht die Zukunft unseres sozialen Gewebes belasten. Wir sind alle Teil eines Ganzen. Doch die politische Sprachgewalt und die Praxis vieler Politiker:innen in Österreich lassen viel zu wünschen übrig.

 Mit Ausländerfeindlichkeit und Hass gegen Menschengruppen lässt sich keine Zukunft gestalten. Wir dürfen nicht weiter hassen – Minderheiten, unsere Umwelt oder unseren Planeten –, nur weil sie „nicht passen“. Stattdessen sollten wir nach kritischen Inhalten suchen und das Leben feiern.

Weg aus der Gewaltspirale.

Wir sind alle Menschen, die aus Fehlern lernen können. Hass zerstört, Vergebung und Alternativen öffnen Wege aus Sackgassen. Und wenn alles weh tut: Suche gemeinsam mit anderen nach Auswegen. Das hilft sehr. ■

 

In der Senderreihe „La Mujer de Maiz“ auf Radio Orange, die Zoraida Nieto moderiert, sind zwei politisch - feministische Aktivistinnen des Forums Iranischer Frauen in Österreich live im Studio zur Gast. Die Sendung ist in deutscher Sprache. 

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