HAMI bedeutet Unterstützung
Atena Adineh teilt mit uns ihre Erfahrungen als Gründerin von HAMI.
Liebe Atena Adineh, du bist Obfrau des Vereins Hami. Wer bist du und was macht der Verein Hami?
Atena Adineh: Ich bin die Vorsitzende des Vereins HAMI, ich 37 Jahre alt und bin in Iran geboren. HAMI steht für leidenschaftliche Unterstützung in den Bereichen Gesundheit, Bildung und kulturellem Austausch. Der Name 'HAMI' bedeutet auf Farsi genau das, was der Verein verkörpert – Unterstützung. Mein Team und ich engagieren uns aktiv für die iranische Gemeinschaft in Wien, insbesondere für krebskranke Iranerinnen und Iraner. Indem wir uns für das Wohlbefinden und die Bedürfnisse der Gemeinschaft einsetzen, stellt HAMI eine wichtige Anlaufstelle für Unterstützung und Solidarität dar.
Du bist mit 12 Jahren aus Iran nach Österreich geflüchtet. Was ist deine schönste und was ist deine hässlichste Erinnerung an den Iran?
Meine schönste Erinnerung an den Iran sind definitiv die Familienbesuche und die kostbare Zeit, die ich mit meinen Liebsten
verbracht habe. Der Zusammenhalt in der Familie hat stets eine warme Atmosphäre und wertvolle Erinnerungen geschaffen. Meine hässlichste Erinnerung ist von dem Bewusstsein geprägt, dass meine Eltern, insbesondere mein Vater, sich in Iran nicht wohlgefühlt haben und den Wunsch hatten, auszuwandern. Die belastenden Umstände, die sie veranlasst haben, diesen Schritt überhaupt in Erwägung zu ziehen, haben einen schmerzhaften Eindruck hinterlassen. Es war eine Zeit der Unsicherheit und des Abschiednehmens von der Heimat, die von einer gewissen Tragik begleitet wurde.
Ist es dir heute möglich, in den Iran zu reisen, oder erlaubt das dein Aufenthaltsstatus nicht?
Ja, es ist mir heute möglich, in den Iran zu reisen, wenn ich es möchte. Allerdings, aufgrund der aktuellen Ereignisse und Umstände in Iran, habe ich momentan keine Absicht, dorthin zu reisen.
"Wer einmal ins Exil gezwungen wurde, bleibt ein labyrinthisches Wesen, ganz im Hier aber nie vollends daa.", schreibt der in Paris lebende afghanische Dichter Atiq Rahimi. Was hat dir deine Flüchtlingsbiografie abverlangt?
Meine Flüchtlingsbiografie hat mir als Kind viel abverlangt. Ich musste miterleben, wie meine Eltern unter den Bedingungen in Iran litten und unter Druck standen, auszuwandern. In dieser turbulenten Zeit hatte ich keine andere Wahl, als mein bisheriges Leben hinter mir zu lassen. Ich musste nicht nur materielle Dinge hinter mir lassen, sondern auch meine gesamte Kindheit und die Verbindung zu meiner Heimat. Es war eine schmerzhafte Zeit. Trotzdem war sie notwendig, wegen der Aussicht auf ein besseres Leben.
Du hast HAMI im Jahr 2022 gegründet. Was war der Auslöser für diese Gründung?
Tatsächlich lag der Auslöser für die Gründung von HAMI im Jahr 2022 in meiner persönlichen Erfahrung im Jahr 2019, als ich schwer krank auf der Intensivstation war. Während dieser Zeit konnte ich nicht nur über meine eigene Gesundheit nachdenken, sondern auch die Privilegien und Ressourcen schätzen, die uns in Österreich zur Verfügung stehen. Diese Gedanken intensivierten sich, als ich von den extremen Bedingungen erfuhr, unter denen Menschen in meiner Heimat litten. Die fehlende Zugänglichkeit zu Therapien und Medikamenten aufgrund von Sanktionen verstärkte meinen Wunsch, aktiv zu helfen und einen Beitrag zur Unterstützung von kranken Menschen in Not zu leisten. Dieser persönliche Antrieb führte schließlich zur Gründung von HAMI im Jahr 2022.
Hami sammelt Spenden für die Krebshilfe im Iran. Was genau macht Hami und welche medizinischen Leistungen bietet der Verein an?
Der Verein Hami ist stolz, sich für die Unterstützung von Krebspatienten in Kooperation mit der Society for Helping Cancer Patients (SHCPI) im Norden des Irans zu engagieren. Die SHCPI ist eine etablierte Organisation mit beeindruckenden 30 Jahren Erfahrung, die sich leidenschaftlich für bedürftige Krebspatienten einsetzt. Durch diese fruchtbare Partnerschaft können beide Organisationen einen signifikanten Einfluss auf das Leben von Menschen mit Krebserkrankungen nehmen. Die SHCPI ist bekannt für ihre gewissenhafte Arbeit, bei der sie alle Anfragen von Betroffenen mit einem hochqualifizierten Team vor Ort bearbeitet. Dazu gehört die sorgfältige Überprüfung von Krankenakten, der direkte Kontakt mit verschiedenen Ärzten und Krankenhäusern sowie die effiziente Weiterleitung von Spendengeldern an die, die sie am dringendsten benötigen. Dabei stehen die Werte „Transparenz und Verantwortlichkeit” im Mittelpunkt.
Gemeinsam konzentrieren sich HAMI und die SHCPI auf verschiedene Formen von Krebserkrankungen und bieten nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch emotionale Unterstützung und Gemeinschaft. Bei Brustkrebs konzentriert man sich darauf, Frauen nicht nur medizinisch zu unterstützen, sondern auch eine unterstützende Gemeinschaft zu schaffen, die den Weg zur Heilung begleitet. Für Männer, die mit Prostatakrebs konfrontiert sind, bietet das Projekt nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch einen Ort der Empathie und des Verständnisses.
Die Bemühungen umfassen auch den Kampf gegen Gebärmutterkrebs bei Frauen, wobei nicht nur die medizinische Behandlung, sondern auch die emotionale Unterstützung im Vordergrund stehen.
Im Bereich Darmkrebs stellt sich die Organisation der Herausforderung mit Aufklärung, Früherkennung und engagierter Unterstützung, um die Auswirkungen dieser Krankheit zu minimieren. Die Bedeutung der Schilddrüse für die Gesundheit ist bekannt, und HAMI setzt sich auch für umfassende Unterstützung und Ressourcen für Menschen mit Schilddrüsenkrebs ein. Jede Spende, die den Verein erreicht, wird gewissenhaft eingesetzt, um sicherzustellen, dass sie denjenigen zugutekommt, die sie am meisten benötigen.
Insgesamt ermöglicht die koordinierte Arbeit von HAMI und der SHCPI positive Veränderungen im Leben von Krebspatienten im Norden des Irans und schafft eine gemeinschaftliche Antwort auf die Herausforderungen, die diese Krankheiten mit sich bringen.
Welche Herausforderungen existieren für die Krebshilfe in Iran? Liegt ein Mangel an Bewusstsein für Vorsorgeuntersuchungen vor? Sind ausreichende Informationen zur Risikominderung von Krebs nicht vorhanden?
Finanzielle Probleme stellen eine erhebliche Hürde in der Krebshilfe in Iran dar. Die Tatsache, dass die Menschen sämtliche Kosten privat tragen müssen, von Chemotherapie über Medikamente bis hin zu Untersuchungen, erhöht die Belastungen für Krebspatienten erheblich. Diese finanzielle Belastung kann verhindern, dass viele Betroffene sich die notwendige medizinische Versorgung leisten können, was die Erfolgsaussichten der Behandlung beeinträchtigen kann.
Neben individuellen finanziellen Herausforderungen werden Krebspatienten in Iran durch internationale Sanktionen weiter belastet. Der Mangel an importierten Medikamenten aufgrund von Sanktionen verschlimmert die Situation erheblich, da viele lebensnotwendige Medikamente nicht ausreichend verfügbar sind. Dies führt zu einer kritischen Engpasslage, in der Patient:innen mitunter mit unzureichenden oder gänzlich fehlenden Behandlungsmöglichkeiten konfrontiert sind.
In Anbetracht dieser Herausforderungen ist es von entscheidender Bedeutung, nicht nur das Bewusstsein für Krebsprävention zu schärfen, sondern auch Mechanismen zu schaffen, die finanzielle Unterstützung für bedürftige Patient:innen gewährleisten und den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten sicherstellen. Eine umfassende Herangehensweise, die sowohl die finanziellen als auch die versorgungstechnischen Aspekte adressiert, ist notwendig, um effektive Lösungen für die Krebshilfe in Iran zu entwickeln.
Hat die Krebshilfe vorort Probleme mit dem politischen Regime in Iran, oder lässt man die Organisation vorort gewähren?
Es ist schwierig, die genaue Dynamik zwischen der örtlichen Krebshilfe und dem politischen Regime im Iran zu beurteilen. Nach meinem Kenntnisstand und meiner Erfahrung erhält die Organisation jedoch nicht viel Hilfe und Unterstützung von der Regierung. Es scheint, als ob die Organisation hauptsächlich auf eigene Ressourcen und externe Unterstützung angewiesen ist, um ihre Arbeit durchzuführen.
Ist Brustkrebs bei HAMI ein Schwerpunkt?
Nein, Brustkrebs ist nicht unser ausschließlicher Schwerpunkt bei HAMI Österreich. Wir engagieren uns breit gefächert für verschiedene Aspekte der Krebsversorgung und -unterstützung. Unser Ziel ist es, Frauen und Männer, die von verschiedenen Krebserkrankungen betroffen sind, umfassende Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen.
Ihr sammelt auch Geld für Brustprothesen. Habt ihr von HAMI Österreich auch Kontakt zu den Brustkrebspatientinnen? Was sind eure Erfahrungen dabei?
In Bezug auf den Kontakt zu Brustkrebspatientinnen haben wir verschiedene Projekte, und eines unserer Schwerpunkte für das Jahr 2024 liegt auf der Bereitstellung von Brustprothesen. Mit einer Spende von nur 250€ kann jeder Einzelne dazu beitragen, das Leben einer Frau positiv zu verändern. Unsere Erfahrungen zeigen, dass solche Spenden nicht nur körperlichen Komfort bieten, sondern auch erheblich das Selbstvertrauen und das Wohlbefinden der betroffenen Frauen verbessern. Es ist ein bedeutungsvoller Beitrag, der die Lebensqualität der Patientinnen verbessert und ihnen ein Stück Normalität zurückgibt.
Wie läuft der Spendenprozess bei HAMI ab? Erfährt man, wie die Gelder verwendet werden? Erfährt man als Spender:in, wem die Spenden konkret geholfen haben, oder bleiben die einzelnen behandelten Fälle anonym?
Bei HAMI legen wir großen Wert auf Transparenz und Kommunikation. Der Spendenprozess ist von Anfang bis Ende transparent gestaltet. Wir informieren Spenderinnen und Spender ausführlich über die Verwendung der Gelder über diverse Social-Media-Kanäle, Telegram-Gruppen und unsere Webseite. Hier teilen wir regelmäßig Updates und Berichte darüber, wie die Spendengelder eingesetzt werden und welche konkreten Fortschritte in unseren Projekten erzielt wurden.
Zusätzlich erhalten wir einmal im Monat ein Update-Video von unserem (SHCPI) Gründer Hr. Dr. Hariri in Iran, der in Farsi spricht. Um die Informationen für unsere deutschsprachigen Unterstützerinnen und Unterstützer zugänglicher zu machen, arbeiten wir aktiv an der Implementierung deutscher Untertitel für diese Videos.
Wir sind davon überzeugt, dass Transparenz und Offenheit gegenüber unseren Spenderinnen und Spendern von größter Bedeutung sind. Daher setzen wir uns dafür ein, dass sie genau wissen, wie ihre Spenden positive Veränderungen im Leben von Krebspatient:innen bewirken.
Sind es vorallem Österreicher:innen oder emigrierte Iraner:innen, die HAMI unterstützen?
Bislang hat HAMI sowohl Unterstützung von vielen Iranerinnen und Iranern als auch von einigen Österreicherinnen und Österreichern erfahren. Wir setzen uns kontinuierlich dafür ein, die Bekanntheit von HAMI zu steigern, und sind dankbar für jede Form der Unterstützung, die wir erhalten. Unsere Bemühungen zielen darauf ab, Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, dazu zu inspirieren, praktische Hilfe zu leisten und sich aktiv für die Unterstützung von Krebspatientinnen und -patienten einzusetzen. Wir schätzen jede Form der Unterstützung und bedanken uns bei allen unseren Unterstützerinnen und Unterstützern, die dazu beitragen, unsere Mission voranzutreiben.
Wie kann man bei euch aktiv mitmachen?
Jeder ist bei HAMI herzlich willkommen, unabhängig von der Herkunft. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aktiv zu werden und uns zu unterstützen. Eine Möglichkeit ist die finanzielle Unterstützung. Auch die Teilnahme an unseren zahlreichen Veranstaltungen trägt dazu bei, unsere Mission voranzutreiben. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn Menschen über HAMI sprechen und Informationen teilen, um das Bewusstsein für unsere Arbeit zu verbreiten. Jeder kann auf seine Weise einen wertvollen Beitrag leisten, und wir freuen uns über die vielfältige Unterstützung, die uns erreicht.
Deine Organisation unterstützt Iraner:innen auch bei der Integration in Österreich. Welche Schwierigkeiten begegnen neuen Flüchtlingen aus Iran?
Ja, wir organisieren in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien regelmäßig Informationsveranstaltungen. Diese Veranstaltungen unterstützen frisch in Österreich angekommene Iranerinnen und Iraner bei ihrer Integration. Die Herausforderungen für Neuankömmlinge aus dem Iran sind vielfältig. Die Sprachbarriere stellt eine besonders große Hürde dar, da es extrem schwierig ist, sich in einem neuen Land zurechtzufinden, wenn man die lokale Sprache nicht beherrscht.
Wir möchten als Brücke für die neuankommenden Iranerinnen und Iraner dienen, die sich alleine fühlen. Neben der Sprache begegnen sie oft auch Herausforderungen im Verständnis des österreichischen Rechtssystems, der kulturellen Unterschiede und der emotionalen Belastung durch Erinnerungen an die Heimat. Durch Informationsveranstaltungen und Unterstützungsangebote möchten wir diesen Menschen helfen, sich in der neuen Umgebung besser zurechtzufinden und eine erfolgreiche Integration in Österreich zu ermöglichen.
Wie habt ihr das Netzwerk eurer Organisation aufgebaut? Wer sind die Unterstützer:innen deiner Organisation und wer unterstützt dich persönlich?
Der Aufbau unseres Netzwerks war ein langwieriger Prozess, der viel Zeit und Engagement erforderte. Es war eine kollektive Anstrengung, bei der wir Beziehungen zu verschiedenen Organisationen, lokalen Gemeinschaften und Einzelpersonen aufgebaut haben. Durch regelmäßige Veranstaltungen, Informationsveranstaltungen und kooperative Projekte konnten wir unser Netzwerk kontinuierlich erweitern.
Die Unterstützung für meine Organisation kommt von verschiedenen Quellen. Persönlich habe ich das Glück, die Unterstützung meines Partners Omid zu haben, der mich von Anfang an begleitet hat und meine Vision für HAMI verstanden hat. Meine Familie und enge Freunde spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Ihre fortwährende Unterstützung, Ermutigung und Verständnis sind unersetzlich und tragen wesentlich zum Erfolg von HAMI bei. Ein herzliches Dankeschön an alle, die mich persönlich und unsere Organisation unterstützen.
Am 2.3. veranstaltet HAMI in der Lugner City einen iranischen Food Bazaar? Was ist das Ziel der Veranstaltung: Kulturaustausch oder Spendensammlung?
Die Veranstaltung am 2.3. in der Lugner City, der iranische Food Bazaar, verfolgt ein Ziel, das eine Mischung aus Kulturaustausch und Spendensammlung ist. Wir möchten die iranische Gemeinschaft zusammenbringen und gemeinsam das iranische Neujahrsfest „Norouz“ feiern, das am 20.03.2024 stattfindet. Diese Zusammenkunft bietet eine Gelegenheit, iranische Gerichte zu genießen, persische Musik zu hören und gleichzeitig für einen guten Zweck zu spenden.
Das gesammelte Geld wird zu 100% Krebskranken zugutekommen. Die Veranstaltung dient somit nicht nur als Plattform für den kulturellen Austausch, sondern auch als Möglichkeit, finanzielle Mittel für die Unterstützung von Krebspatientinnen und -patienten zu sammeln. Durch diese vielseitige Initiative möchten wir Gemeinschaftsgeist fördern und gleichzeitig einen positiven Beitrag für Menschen in Not leisten.
Madge Gill Bukasa